Friedenseinsatz: Aus der Wüste an die Spree

Als Blauhelmpolizistin in Afrika im Einsatz: freundliche Begegnung mit Kindern in Douentza auf Streifengang
Friedenseinsatz: Aus der Wüste an die Spree
Mission Weltfrieden: Dafür hat Kriminalhauptkommissarin Jutta Weinmann (37) schon oft ihre Koffer gepackt. In Mali trug sie den Blauhelm der Vereinten Nationen. Heute organisiert sie im Auswärtigen Amt in Berlin Projekte für den Polizeiaufbau auf allen Kontinenten.
Streife-Redaktion

Studium an der Fachhochschule in Duisburg, Streifendienst in Mönchengladbach, danach die Einsatzhundertschaft … Die Karriere von Jutta Weinmann hat begonnen wie die von Tausenden junger Menschen, die jedes Jahr bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen starten. „Hätte mir vor zehn Jahren einer gesagt: ,Irgendwann arbeitest du im Auswärtigen Amt‘, hätte ich geantwortet: ,Unmöglich‘“, sagt Weinmann und lacht. Die „Streife“ trifft sie per Video-Call in ihrem Arbeitszimmer in Mönchengladbach. „Homeoffice, wegen Corona.“

Seit fast zwei Jahren steht ihr Schreibtisch eigentlich in Berlin: tatsächlich im Auswärtigen Amt, direkt an der Spree. Das imposante Sandsteingebäude ist oft in den Nachrichten zu sehen, wenn über Kriege und Hungersnöte berichtet wird. „Ich bin immer noch jeden Morgen fasziniert, wenn ich in den dritten Stock hochfahre“, sagt die Kriminalhauptkommissarin. Dort liegt ihr Büro: im Referat S03 für „Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und Humanitäre Hilfe“. Ein 15-köpfiges Team aus den Bereichen Polizei, Militärberatung, Wissenschaft und Recht hat von hier die Krisen in aller Welt im Blick. Man schreibt Konzepte, organisiert Hilfen, schafft Sicherheitsstrukturen, um die Partnerländer zu befähigen, selbst Verantwortung für die Sicherheit in ihrem Land zu übernehmen. „Dazu benötigt man unter anderem eine Polizei, die im Rahmen bestehender Gesetze handelt und die Grundrechte der Bürger garantiert“, erklärt Weinmann. In vielen Ländern sei jedoch das Misstrauen gegen Uniformen groß. Korruption, Krieg und Terror führten zu Instabilität und Flucht. „Internationale Polizeimissionen sollen helfen, damit sich die Lage stabilisiert“, erklärt Weinmann.

Sie dreht inzwischen das Radio lauter, wenn Wörter wie „Flüchtlinge“ und „Attentate“ fallen. Gerade erst, als ein mit Sprengstoff gefüllter Laster in ein Restaurant in Mogadischu raste. In Somalia sind deutsche Polizisten für die Vereinten Nationen stationiert. Es gab viele Tote, Deutsche waren nicht darunter.

Bereits 10.000 Bundes- und Landespolizistinnen und -polizisten waren seit 1989 auf Friedensmission. Gerade sind 179 Männer und 33 Frauen im Einsatz: trainieren und beraten Kolleginnen und Kollegen vor Ort, bewachen Grenzen, vermitteln zwischen politischen und zivilen Kräften. Alle Projekte werden vom Referat S03 gefördert. Wenn Weinmann aus dem Fenster schaut, sieht sie den Fernsehturm. Doch es gibt Tage, da hat sie dafür keine Zeit. „Momentan liegen etwa 40 Projekte auf meinem Tisch“, erklärt sie. Die müssen geprüft und abgestimmt werden. Weinmann begleitet jede Maßnahme vom Anfang bis zum Ende.

Vor Corona ist sie von einer Sitzung zur nächsten geeilt: Besprechung mit den Länderreferaten, Meeting im Innen- und im Verteidigungsministerium, Treffen mit Botschafterinnen und Botschaftern. „Ich schreibe und spreche meist Englisch“, sagt Weinmann. Mit den Kolleginnen und Kollegen von der United Nations Police (UNPOL) in New York meist nach Feierabend. „Wegen der Zeitverschiebung.“

Doch zurück ins Homeoffice in Mönchengladbach, wo Weinmann vor 15 Jahren noch Streife gefahren ist. „Ich wollte mehr“, erinnert sie sich. Selbstverteidigung fand sie gut. Also hat sie nach Dienstschluss WingTsun-Kurse besucht und alle „Hohen Grade“ erreicht. Weinmann wurde Trainerin bei der Hundertschaft und entwickelte mit Kolleginnen den Selbstbehauptungskurs „Frauen stärken Frauen“, der Migrantinnen stärken soll – ein bundesweit prämiertes Projekt.

2016 der entscheidende Schritt. Kolleginnen und Kollegen erzählten von Auslandsmissionen. Weinmann: „Ich war fasziniert, wollte das unbedingt machen.“ Sie schrieb eine Bewerbung ans Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW, Dezernat 13, in Brühl und bekam eine Einladung zum Auswahlverfahren. Erfahrung und Sprachen sind Voraussetzung. Deshalb hat sie monatelang Englisch und Französisch gebüffelt. Im Oktober stand sie mit zwei Koffern am Düsseldorfer Flughafen. Einsatzort: Mali, eines der ärmsten Länder der Erde. In der Sahelzone unterstützen die Vereinten Nationen den Kampf gegen islamistische Terrormilizen. Die Polizistin sagt: „Ich war gut vorbereitet, aber auch gespannt, was mich erwartet.“

Wenn sie heute in Berlin an ihrem Schreibtisch sitzt, denkt sie oft zurück. Der rote Wüstenstaub. Die Hitze. Lachende Kinder, die ihre blonden Haare berühren wollten. Sie sagt: „Die Menschen hatten keine Angst vor uns und hatten Vertrauen in uns als Ansprechpartner vor Ort.“

Nach ihrer Rückkehr war klar: Sie wollte im Bereich Internationale Polizeiarbeit bleiben. Deshalb hat sie nach einem Zwischenstopp bei der Kriminalpolizei in Mönchengladbach wieder ihre Koffer gepackt, um nach Berlin zu ziehen. Im Sommer geht ihre Zeit im Auswärtigen Amt zu Ende. Und dann? Sie zuckt mit den Schultern: „Ich plane nicht, weil ich sicher bin, dass sich die nächste Tür öffnet.“

Deutsche Polizistinnen und Polizisten sind in verschiedenen Krisenregionen und Missionen im Einsatz:
  • Missionen der Vereinten Nationen
    Ziel: Schutz der Zivilbevölkerung, Stärkung von rechtsstaatlichen Institutionen sowie Ausbildung lokaler Polizeikräfte. Einsatzorte: unter anderem im Kosovo sowie in Darfur, Mali, Haiti und Somalia.
  • EU-Missionen
    Ziel: Durchführung verschiedener Sicherheitstrainings und Beratung von Behörden. Einsatzorte: im Kosovo, in Somalia und der Ukraine sowie am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza.
  • OSZE-Missionen
    Ziel: Beobachtung der Sicherheitslage und Förderung von Gesprächen zwischen politischen und zivilen Akteuren. Einsatzort: Die wichtigste Mission ist derzeit in der Ukraine.
  • Frontex
    Ziel: Registrierung von Migranten, Prüfung von Dokumenten, Grenzüberwachung, Aufspüren von Schleuserrouten. Einsatzorte: EU-Außengrenzen, schwerpunktmäßig in Italien, Spanien, Griechenland und Bulgarien.
In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110