Das ist kein Hexenwerk

Eine Online-Vernehmung auf dem Bildschirm
Das ist kein Hexenwerk
Bernhard Hatterscheidt wirbt in einem Podcast wie ein Influencer für die Online-Vernehmung. Nach einer Pilotphase ist das Verfahren nun landesweit eingeführt worden.
Thomas Zorn

Er schreckt so schnell vor nichts zurück. Bernhard Hatterscheidt hat schon vieles ausprobiert in seinem Leben. Als Polizist und auch privat. Nun tritt der Kriminalhauptkommissar im Polizeipräsidium Köln, der bei Beamtenvergehen ermittelt, auch noch als eine Art Influencer auf. In einem Video-Podcast erklärt er leidenschaftlich die Pluspunkte für eine Befragung aus der Ferne. 

Der nicht auf den Mund gefallene 59-Jährige musste nicht lange überredet werden. Er schildert in dem viertelstündigen Film, wie nützlich das digitale Verfahren sein kann. Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, das die Online-Vernehmung nach einer Pilotphase 2024 landesweit gestartet hat. Hatterscheidt steht voll dahinter.

 „Bei kleineren und mittleren Straftaten haben wir die Wahl zwischen online und Präsenz“, erläutert er. Nur bei Mord, Sexualverbrechen und anderen schweren Delikten sollten Zeugen in der Regel weiterhin auf der Polizeidienststelle erscheinen. 

An die hundert Online-Vernehmungen hat Hatterscheidt inzwischen durchgeführt. „Das ist für mich längst Routine.“ Noch sei jedoch nicht jeder Ermittler überzeugt. So behaupteten Skeptiker, erst wenn sie jemandem gegenübersäßen, spürten sie, ob er die Wahrheit sagt. Für den gebürtigen Essener klingt eine solche Feststellung eher nach einem spannenden Roman als nach polizeilichem Alltag. Er weiß, wovon er redet. Denn er selbst hat schon zehn Krimis geschrieben. „Etwa 15-mal im Jahr präsentiere ich bundesweit meine True Dinner Show. In elf Bundesländern war ich schon.“ 

Dass die Polizei in NRW im digitalen Zeitalter angekommen ist, freut den internen Ermittler. Seine Dienststelle befindet sich in Leverkusen. Zweimal die Woche arbeitet er im Homeoffice. „Da kann ich auch mal um 20 Uhr mit Zeugen reden.“ Angst, dass man einen Einblick in seine Privatsphäre erhält, hat der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern nicht. „Den Bildausschnitt kann sich ja schließlich jeder selbst aussuchen.“ 

Die Online-Vernehmung verläuft ähnlich wie eine Zoom-Konferenz. Computer, Kamera, Mikrofon und Headset stehen den Polizistinnen und Polizisten zur Verfügung. „Dem Zeugen wird eine Raum- und eine PIN-Nummer zugeteilt. Zum vereinbarten Zeitpunkt schalten wir ihn oder sie dann zu“, berichtet Bernhard Hatterscheidt und zerstreut gleich Befürchtungen. Das polizeiliche Videokonferenzsystem ist sicher und bedienungsfreundlich. 

Mit Schrecken denkt er daran, wie lange es früher gedauert hat, bis alle notwendigen Vernehmungen abgeschlossen werden konnten. Wer die alte Art bevorzuge, müsse auch heute noch mitunter lange Wege auf sich nehmen. Oder eine andere Dienststelle um Amtshilfe bitten. „Das fand ich in meinen Fällen immer unbefriedigend. Am Ende wird womöglich die entscheidende Frage nicht gestellt.“ Und es gehe alles wieder von vorn los. 

„Außerdem kommen wir jetzt Kranken oder Immobilen entgegen und sind damit sogar barrierefrei“, stellt das Energiebündel aus dem Ruhrgebiet fest, das sich seine landsmannschaftliche Direktheit bewahrt hat. „Was wir da machen, ist kein Hexenwerk.“ Das digitale Verfahren hat in NRW nun richtig Fahrt aufgenommen. 

Das Protokollieren sei kein Problem, wischt Bernhard Hatterscheidt einen letzten Einwand beiseite. „Die Aussagen fasse ich parallel auf einem PC im Verarbeitungsprogramm VIVA zusammen und spiegele das Protokoll auf dem Bildschirm des Zeugen.“ Gewünschte Änderungen könnten dann eingefügt werden. „Eine Unterschrift ist nicht mehr nötig. Die Zustimmung zum Protokoll lässt man sich bestätigen.“ 

Jahrelang hat Hatterscheidt in der Kölner Mordkommission ermittelt. Dann wechselte er in die Führungsstelle der Kripo und seit 2010 verfolgt er Amtsträgerdelikte in der Kriminalinspektion 3. Langweilig ist es ihm nie geworden. Er tut viel für seine Fitness. Und reitet daheim im bergischen Odenthal mit seiner Frau Miriam Westernpferde. „Wir haben Noriker-Kaltblüter. Mein Wallach Wotan ist ein wahrer Sportler und ein wunderschönes Kraftpaket.“ Er habe mit dem Reiten erst spät begonnen. „Jetzt gehört es fest zu meinem Leben.“ Bernhard Hatterscheidt liebt Herausforderungen.

Tim Wegner
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Tim Wegner
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