Die Sprache hilft

Polizeikommissarin Julia Cherkas informiert Geflüchtete über mögliche Gefahren in Deutschland.
Die Sprache hilft
Julia Cherkas kam als kleines Kind aus der Ukraine nach Deutschland. Nie waren ihre Sprachkenntnisse so wertvoll wie bei den Besuchen in Unterkünften für Geflüchtete im Kreis Mettmann.
Streife-Redaktion

Die Frau im gelben Kapuzenpullover lächelt, als sie vor die Tür der Wilhelm-Würz-Sporthalle in Langenfeld-Richrath tritt, um eine Zigarette zu rauchen. Denn Julia Cherkas lächelt ihr entgegen. Die Polizeioberkommissarin war schon einige Male in der Übergangsunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine. In den Flyern, die sie verteilt, steht auf Deutsch und auf Ukrainisch: „Die deutsche Polizei ist freundlich und hilfsbereit! Darauf dürfen Sie vertrauen, wenn Sie unseren Kolleginnen und Kollegen auf der Straße begegnen.“ Cherkas (25) verkörpert Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Ihr vertrauen die Menschen. Auch und gerade, weil sie Ukrainisch spricht.

Im April hat sie drei Wochen lang das Kriminalkommissariat Kriminalprävention/ Opferschutz der Kreispolizeibehörde Mettmann unterstützt. Vom Wach- und Wechseldienst in Langenfeld war sie dorthin ausgeliehen worden. Zusammen mit Kriminalhauptkommissar Christoph Voßwinkel hat sie die rund 40 Einrichtungen für Geflüchtete aus der Ukraine im Kreis Mettmann besucht und die Bewohnerinnen und Bewohner für mögliche Gefahren in ihrer neuen Umgebung durch Betrüger sensibilisiert.

Julia Cherkas hatte ihre Dienste als Kontaktbeamtin angeboten, als sie erkannte, dass Bedarf besteht. „Das war super für uns“, sagt Voßwinkel, „wir waren gerade dabei, Flyer und Plakate zu entwerfen.“

In den ursprünglich vom Polizeipräsidium Münster entworfenen Flugblättern (siehe Streife 02/2022), die mit den regionalen Kontaktdaten angepasst wurden, wird unter anderem vor unseriösen Wohnungs- und Arbeitsangeboten gewarnt und auf die Herausforderung bei der Erlangung einer Arbeitsgenehmigung hingewiesen.

„Ich habe mit den Geflüchteten auch über die Themen Menschenhandel und Prostitution gesprochen – eine große Gefahr insbesondere für Frauen und Mädchen“, berichtet Cherkas. „Es war auffallend, dass die Ukrainerinnen nicht mit diesen Gefahren in Deutschland gerechnet haben.“

Doch auch mit Alltagsproblemen gingen die Ukrainerinnen vertrauensvoll auf die in ihrem Heimatland geborene deutsche Polizeibeamtin zu. Denn es fehle ansonsten an Ansprechpartnern und Übersetzern für Themen wie Arbeitsplatz- und Wohnungssuche. Trauer, Hilfslosigkeit, Unmut – mit all diesen Gefühlslagen wurde sie konfrontiert. „Ich habe viele traumatisierte Menschen getroffen“, sagt sie, „Eine Mutter kommuniziert mit ihren Söhnen nur per Handy mit Emojis, weil sie Sorge hat, sie könnte abgehört werden.“

Doch die Arbeit habe sie erfüllt. Im Wach- und Wechseldienst bekomme sie manchmal auch den Ärger der Bürgerinnen und Bürger über die polizeilichen Maßnahmen zu spüren. Hier aber werde sie stets mit offenen Armen empfangen. „Ich habe viele Schicksale begleiten dürfen und viel dazugelernt.“

Als Fünfjährige hatte ihre Mutter, die zuvor als Au-pair nach Deutschland gegangen war, sie aus einer ländlichen Region bei Lwiw ins Rheinland geholt. Jeden Sommer reiste Julia zu Oma und Opa in die Ukraine. „Die Menschen dort auf dem Land kennen die Polizei kaum“, sagt sie. Die nächste Wache sei eine Dreiviertelstunde Fahrtzeit entfernt. Sie kann sich nicht erinnern, dort jemals ein Martinshorn gehört oder Blaulicht gesehen zu haben. „Deshalb ist es für einige Geflüchtete auch schwer, zu einer Polizistin Kontakt aufzunehmen.“ Auch wenn sie ihr Ukrainisch in den vergangenen Jahren immer mal wieder anwenden musste – nie waren ihre Sprachkenntnisse so wichtig wie heute. Russisch, die Sprache vieler Großstadtbewohner in der Ukraine, spricht sie übrigens nicht. Zu groß sei der Unterschied zwischen den beiden Sprachen.

Zuletzt war Julia Cherkas vor eineinhalb Jahren in ihrem Heimatland. Für dieses Jahr war eine Reise nach Kiew geplant. Sie wollte den Verwandten dort ihren Freund vorstellen. Doch die mussten jetzt die Hauptstadt verlassen und in den Westen des Landes fliehen. Cherkas‘ Tante, Onkel, Cousin und Cousine leben noch in der Ukraine – und auch ihr Vater. „Wir haben jeden Tag Kontakt“, sagt sie.

Im Februar und März, zu Beginn des Angriffskrieges, habe sie die Situation sehr belastet. Auch Voßwinkel sorgte sich, ob er der jungen Kollegin mit dem besonderen Einsatz etwa zu viel zumute. „Jetzt habe ich mich daran gewöhnt – leider. Die Situation beeinträchtigt mein Leben nicht“, sagt sie, „Ich habe die Hoffnung, dass alles wieder gut wird.“ Ihre Mutter ist jeden Tag in Odenthal in der Hilfe für Geflüchtete aktiv. „Mama sagt immer: Wenn ich nicht in der Ukraine helfen kann, dann zumindest hier.“ So wie Julia Cherkas.

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110